Oskar Schwär — Dresden
Volksgeschichten um Karraseck und andere Oberlausitzer Räuber
I.
Das Räuberwesen nahm in der Oberlausitz nach dem Siebenjährigen Kriege immer
^ehr überhand und erreichte um 1800 das größte Ausmaß. Die „Acta, Aufsuch-,
Entdeck- und Bestrafung des Diebs- und Räuber- auch anderen lüderlichen Gesindels
in dem Marggrafthume Ober-Lausitz betr., de Anno 1800 bis 1803 x ) und der fol
genden Jahre enthalten die Vorgänge über eine große Zahl von räuberischen Taten
der Banden. Am stärksten konzentrierten sie sich in der Gegend zwischen Spree und
Görlitzer Neiße, wo meist mehrere Rotten gleichzeitig die Dörfer und Landstädtchen
heimsuchten.
In der Erörterung des Gnadengesuchs für das zum Tode verurteilte „wirkliche Mit
glied mehrerer Räuberbanden“ Gotthelf Wunderlich heißt es am 5. August 18x1 2 ):
> Jndem das Geheime Consilium die hierauf zu fassende Allerhöchste Entschließung ehrer-
bietigst anheimstellt, kann es jedoch bei dieser Gelegenheit nicht unbemerkt lassen, daß die
große Anzahl schwerer Verbrecher, welche in der Oberlausitz zur Haft und Untersuchung
kommen, mit der dasigen Bevölkerungsmenge, in Vergleichung gegen die sieben Kreise und
die übrigen Nebenlande in einem auffallenden Mißverhältnisse steht. Seit noch nicht ganz
2 wei Jahren hat das Geheime Consilium aus der Oberlausitz 15 Begnadigungsgesuche zum
Txde verurtheilter Verbrecher zur Allerhöchsten Entscheidung vorzutragen gehabt, von
denen 14 begangener Diebstähle und Räubereyen, Einer hingegen der vorsätzlichen Brand
stiftung überführt war.“
Zwei jener Bandenanführer leben noch heute im Gedächtnis der einheimischen
Bevölkerung fort: Johannes Karraseck 3 ) und Wenzel Kummer, genannt der „böh-
rniSc he Wenzel“. Sie sind jedoch in der Volksüberlieferung nicht „Vielgefürchtete“,
sondern Gestalten mit freundlichen, edlen Zügen. Man erzählt und hört gern von
1 nen, „läßt nichts auf sie kommen“, nimmt durchaus Partei für sie, wenn sie etwa
a k gewöhnliche Räuber bezeichnet werden.
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°evor wir die vox populi anhören, müssen wir uns aus Prozeßakten und ersten,
^ährend des Karraseckprozesses erschienenen Lebensbeschreibungen ein Bild der
lst orischen Gestalten geben lassen.
bis^ ^ c hs. Landeshauptarchiv, Dresden (künftig als SLHA zitiert), Vol. VIII, 6059 (1800
7 S? da Vol -xn, 6l °5-
^nd IC lf verwen< I en bier die Schreibung der amtlichen Akten. Der Name ist auch Karaseck
^arasek geschrieben worden, um die tschechische Herkunft zu betonen.